Elektrophysiologie


Elektrophysiologie: Was ist das?

Elektrophysiologie beschäftigt sich mit der Funktionsweise von Nerven.

Manchmal sind Nerven durch Krankheiten oder Unfälle beschädigt. Wenn z.B. eine Hand oder ein Fuß kribbelt oder taube Stellen auftreten, der Rücken, der Arm oder die Schulter schmerzt oder eine Schwäche, bzw. Lähmungen auftreten, besteht möglicherweise der Verdacht auf eine Erkrankung von Nerven oder Muskeln. Aber auch wenn Schwindel oder Sehstörungen auftreten untersucht der Neurologe die Nerven, um eine Erkrankung festzustellen und den Schädigungsort zu finden.

Stark vereinfacht stellen Nerven im menschlichen Körper gewissermaßen eine „Verkabelung“ dar. Die einzelnen Nervenbündel verlaufen von Gehirn und Rückenmark ausgehend durch den Körper, fächern sich im Verlauf auf, bis sie Muskeln oder Sinneszellen erreichen. Das Gehirn sendet über die Nerven elektrische Impulse zu Muskeln und Organen und erhält von dort Signale zurück, welche es entsprechend interpretiert. Für verschiedene Sinnesreize, die für unser Leben wichtig sind, bestehen unterschiedliche Wahrnehmungs- bzw. Sinneszellen, welche über Nerven und das Rückenmark Informationen an unser Gehirn liefern.

Sinneszellen für Wärme- und Kälteempfindungen, für Schmerz, für das Tastempfinden und Gelenkstellung (Tiefensensibilität) leiten Informationen über Nerven an unserer Gehirn. Die zum Wahrnehmungsapparat des Körpers gehörenden Nerven nennt man sensible Bahnen oder das sensible Nervensystem. So gibt es z.B. Wahrnehmungs- und Sinneszellen für das Hören, Riechen, Schmecken, Sehen und für Berührungen.

Nerven, die zu Muskeln führen, werden motorische Nerven genannt. Die motorischen Nerven teilen sich auf und enden in dem jeweiligen Muskel, für dessen Versorgung sie zuständig ist. Hier wirken sie gewissermaßen als Impulsgeber für die Muskeltätigkeit. Bei einer Lähmung können Nerven beschädigt sein, z.B. durch eine Erkrankung oder eine Verletzung.

Elektrophysiologische Untersuchungen

Durch elektrophysiologische Untersuchungen werden vor allem der Ort und das Ausmaß der Schädigung von Nerven beurteilt. Bei der Nervenmessung (Neurographie) wird an Arm, Bein oder am Körper die motorische oder sensible Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) gemessen. Dazu wird an den Stellen, an denen ein Nerv nahe der Hautoberfläche liegt, eine Kontaktelektrode aufgelegt. Alternativ wird eine sehr feine Akupunkturnadel verwendet. An einer anderen Stelle wird nun der Nerv mit einem elektrischen Impuls stimuliert. Durch die Zeit, welcher der Reiz benötigt, um vom Reizort bis zur Kontaktelektrode übertragen zu werden, kann die Geschwindigkeit der elektrischen Nervenleitung (Nervenleitgeschwindigkeit – NLG) bestimmt werden. Maßeinheit ist Meter pro Sekunde (m/s). Anhand von Normwerten bei gesunden Menschen kann das Ausmaß der Veränderungen gemessen werden. Die so ausgelöste Aktivität wird als Reizkurve aufgezeichnet. Form und Höhe der Kurve geben ebenfalls eine Auskunft über krankhafte Veränderungen eines Nerven.

Auch die Funktion des Sehnervens und der Sehbahn im Gehirn sowie des Hör- und Gleichgewichtsnerven und  der Hör- und Gleichgewichtszentren im Gehirn können untersucht werden. Messungen an der Gesichtsmuskulatur oder der Gesichtssensibilität geben Hinweise auf Funktionen von Hirnnerven oder des Hirnstammes, der oberhalb des Rückenmarks liegt.

Bei der Sehnervuntersuchung schaut der Patient auf einen Monitor mit einem Schachbrettmuster. In diesem Schachbrettmuster wechseln schwarze und weiße Flächen in einer genau festgelegten Abfolge hin und her. Über eine Elektrode an der Kopfhaut wird gemessen, in welcher Zeit das optische Signal im Gehirn verarbeitet wird. Man spricht bei dieser Untersuchung von visuell evozierten Potentialen (VEP).

Bei der Untersuchung der Hör- und Gleichgewichtsnerven werden über Kopfhörer ein Klickton und ein Impuls auf das Trommelfell übertragen. Das Ohr überträgt die Schalwellen auf die Sinneszellen des Hör- und Gleichgewichtsnerven. Über eine Elektrode an der Kopfhaut wird gemessen, in welcher Zeit das akustische Signal im unteren Bereich des Gehirns verarbeitet und weitergeleitet wird. Man spricht bei dieser Untersuchung von den frühen akustisch evozierten Potentialen (FAEP).

Bei den Gefühlsnerven der Haut (sensible Nerven) wird ein leichter, sich rhythmisch wiederholender Stromreiz am Handgelenk oder Fußgelenk ausgelöst. Über eine Elektrode an der Kopfhaut wird gemessen in welcher Zeit der Nervenreiz an das Gehirn übertragen wird. Man spricht bei dieser Untersuchung von somatosensorisch evozierten Potentialen (SSEP).

Die dritte große Gruppe der Untersuchungen betrifft die Frage, ob Muskelgruppen geschädigt ist. Die Muskulatur wird durch Nervenimpulse aus dem Gehirn generiert werden gesteuert. Fehlfunktionen der Muskulatur können durch eine primäre Gehirnschädigung, Nervenschädigung zwischen dem Gehirn und der Muskelgruppe oder primäre Muskelerkrankung verursacht sein.

Bei der sog. Elektromyographie (EMG) wird eine feine, sterile Einmalnadel, die einer Akupunkturnadel ähnelt, in einen Muskel platziert. Die elektrische Aktivität der Muskelfasern wird elektrisch verstärkt und hörbar bzw. sichtbar gemacht. Beurteilt werden die Muskelaktivität in Ruhe, bei leichter Muskelanspannung und bei maximaler Muskelanspannung.

Das Entladungsmuster des Muskels gibt Hinweise auf die Art der Erkrankung. So kann z.B. festgestellt werden, ob Muskeln selber erkrankt sind oder die Nerven, die zu den entsprechenden Muskeln ziehen. Die Untersuchung kann Aufschluss über die Art, das Ausmaß und die Prognose einer Erkrankung geben. Bei bestimmten Nerven- und Muskelerkrankungen ist die Elektromyographie die grundlegende Diagnostik neben einer Laboruntersuchung und  Probeentnahme aus dem Muskel.

Ergebnisinterpretation und Diagnosezuordnung

Zur elektrophysiologischen Diagnostik gehört die detaillierte Kenntnis der Nerven- und Muskellage und deren Verläufe. Die anatomische Grundausbildung im Medizinstudium ist dazu nicht ausreichend. Eine spezielle Ausbildung und spezielles Wissen der Neuroanatomie vertieft die Kenntnisse. Es besteht die Notwendigkeit Verständnis für die verwendete Mess- und Ableitetechnik, die Messapparate und das Zubehör zu erlangen, um Störungen und Messfehler zu erkennen und von krankhaften Messergebnissen zu Unterscheiden. Letztendlich werden die Messergebnisse interpretiert und es erfolgt eine Beurteilung in Zusammenschau mit den klinischen und technischen Untersuchungen (Labor, Röntgen, CT, Kernspin u.a.).

Die elektrophysiologische Diagnostik ist kein Ausbildungsbestandteil des 6 jährigen Medizinstudiums und nur Grundbestandteil der 5 jährigen Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie. Spezielle Fortbildungen bei der Fachgesellschaft DGKN (Deutsche Gesellschaft für klinische Elektrophysiologie) und eine lange Schwerpunkttätigkeit in einer elektrophysiologischen Fachabteilung an einer neurologischen Klinik runden die Ausbildung ab. Letztendlich führen der klinische Alltag, große Erfahrung und häufiges Durchführen der Untersuchungen zur Aufrechterhaltung des hohen qualitativen Standards. In unserer Praxis führen wir ca. 1000 elektrophysiologische und ca. 700 EEG- Untersuchungen im Jahr durch. Durch regelmäßige zertifizierte Fortbildungen ergänzen und erneuern wir kontinuierlich unser Wissen.

Wenn Sie selbst zur Untersuchung einbestellt werden

Bitte vermeiden Sie Haarspray, Styling-Schaum oder Gel in den Haaren, da diese Substanzen die Untersuchung beeinträchtigen können. Bitte sorgen sie für saubere Wäsche und Strümpfe und kontrollieren Sie Ihren Körpergeruch: Bei der Untersuchung kommen sich Patient und Arzt bzw. Patient und Praxispersonal sehr nahe. Je nach Krankheit oder Verletzung kann es sein, dass Sie sich bis auf die Unterwäsche ausziehen müssen. Es erleichtert Ihnen und dem Personal, die Untersuchung in möglichst angenehmer Atmosphäre durchzuführen.

Unsererseits bemühen wir uns, alle Untersuchungsabläufe zu erklären, Sie so wenig wie möglich zu belasten und Ihre Bedenken oder Befürchtungen zu zerstreuen.

Ganz besonders wichtig:

Teilen Sie uns vorher mit, wenn Sie unter einer ansteckenden Krankheit leiden. Insbesondere Hepatitis B, Hepatitis C, HIV, bzw. AIDS!!

Für uns gehören die Erkrankungen zum selbstverständlichen Umgang, da wir hohe Anforderungen der Hygiene einhalten. Bei Vorliegen der der o.g. Erkrankungen werden sich die Mitarbeiter jedoch zusätzlich mit Handschuhen schützen und vermeiden Hautverletzungen. Sie als Patient sind durch die Verwendung von Einmalnadeln, Desinfektionsmaßnahmen nach Hygieneplan und praktiziertem Qualitätsmanagement (QM) höchstmöglich geschützt.

Teilen Sie uns bitte mit, wenn Sie blutverdünnende Medikamente einnehmen (z.B. ASS/Aspirin, Marcumar, Eliquis, Xarelto, Pradaxa, Lixiana, Clopidogrel/Plavix) oder einen Herzschrittmacher haben. Wir werden dies beim Untersuchungsablauf berücksichtigen.

Die Untersuchungen selbst sind wenig belastend. Sie werden geringe, teils rhythmisch wiederholende elektrisierende Reize bemerken. Über eine kleine Elektrode werden ungefährliche Stromimpulse auf die Nerven übertragen. Der Mitarbeiter kündigt den Impuls vorher an. Versuchen sie sich zu entspannen, atmen sie ruhig, schließen sie die Augen, reden sie nicht und lassen Sie den Mund leicht geöffnet. Versuchen Sie eine angenehme Sitz-/Liegeposition einzunehmen. Unsere Liege ist sehr individuell und elektrisch einstellbar. Fragen Sie ruhig nach einer Nackenrolle, „Hörnchen“ o.a. Gerne bieten wir Ihnen eine Decke an. Insbesondere Hände und Füße sollten eine ausreichende Körpertemperatur von mindestens 24 Grad besitzen. Ggfs. wärmen Sie vorher Ihre Hände durch Reiben oder mit warmem Wasser auf. Wenn Sie eine Pause oder Unterbrechung wünschen, äußern Sie dies gerne.

Berücksichtigen Sie, dass die Untersuchungen 15 – 30 Minuten dauern können, ggfs. benutzen Sie vorher die Toilette.

Eine entspannte Untersuchungsatmosphäre gelingt in der Regel ohne die Anwesenheit von Angehörigen. Ausnahmen bestätigen die Regel.

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